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Arm: Warum der Börsengang so spannend ist

14. September 2023

Der britische Chip-Designer Arm sorgt bei seinem Sprung an die Wall Street für Phantasie - nicht nur beim Blick auf den Wert des Börsengangs. Aber wie gut sind die Perspektiven des Halbleiter-Architekten im KI-Zeitalter?

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Börsengang ARM Holdings an der Technologiebörse Nasdaq in New York
Bild: Richard Drew/AP/picture alliance

Kaum jemand hat den Namen Arm schon einmal gehört, obwohl fast jeder Mensch Tag für Tag wie selbstverständlich Produkte benutzt, in denen das Know-how des britischen Chip-Designers steckt: Beim Griff zum Mobiltelefon, beim Fernsehen, beim Bedienen der Waschmaschine oder beim Autofahren.

Gegründet wurde Arm erst vor 33 Jahren als Gemeinschaftsunternehmen von Acorn Computers, Apple und VLSI Technology. Als Apple wenige Jahre danach wieder ausstieg, war noch nicht zu erahnen, zu welchem Schlüsselunternehmen der Digitalisierung die daraus hervorgegangene kleine Firma werden würde.

Denn Arm entwirft das Design für Halbleiter, die von anderen Hightech-Unternehmen wie Samsung gebaut oder - wie im Fall von Apple - entwickelt und dann von anderen Firmen produziert werden. Dafür erhalten die Tüftler aus dem englischen Cambridge Lizenzgebühren. Arm ist so etwas wie die Schweiz der Halbleiter-Industrie: ein neutraler Player, der mit allen kooperiert und sich auf kein Bündnis festlegt.

Rückkehr an die Börse

Mit dem Sprung an die Wall Street kehrt das Unternehmen aufs Börsenparkett zurück, nachdem es bereits von 1998 bis 2016 an der Börse notiert war - damals in London und an der Technologiebörse Nasdaq. Nach der 32 Milliarden Dollar-Übernahme durch den Softbank-Konzern - unter anderem bekannt durch seine Beteiligung am chinesischen Internet-Riesen Alibaba - nahmen die neuen japanischen Eigner die Aktie wieder vom Kurszettel.

Softbank-Chef Masayoshi Son mit riesigen Logos von Softbank und Arm im Hintergrund
Softbank-Chef Masayoshi Son will mit dem Arm-Börsengang Kasse machenBild: KAZUHIRO NOGI/AFP/Getty Images

Schlagzeilen machte im vergangenen Jahr der gescheiterte Verkauf an den Chip-Konzern Nvidia für damals rund 40 Milliarden Dollar. Die US-Regulierungsbehörden hatten den Deal aus Wettbewerbsgründen platzen lassen und damit bei Arm-Kunden wie Apple und Co. für Erleichterung gesorgt. Denn das Zusammengehen mit dem heutigen Billionen-Konzern Nvidia hätte das Ende der Neutralität der englischen Chip-Designer eingeläutet. Jetzt nimmt Masayoshi Son mit dem IPO (Initial Public Offering) einen neuen Anlauf, sein Investment zu vergolden. Der Softbank-Chef bringt nur einen Anteil von unter zehn Prozent an Arm an die Börse. Das IPO war mehr als zehnfach überzeichnet - es gab also mehr als zehn Interessenten für jede auszugebende Aktie. 

Der Ausgabepreis war am Mittwochabend auf 51 US-Dollar festgesetzt worden und lag damit am oberen Ende der Preisspanne. Der Börsenwert lag damit bei 54,5 Milliarden Dollar. 

Am Donnerstagmittag (Ortszeit) erschien die Arm-Aktie dann mit einem ersten Kurs von 56,10 Dollar auf den Kurszetteln der US-Technologiebörse Nasdaq - ein Plus von zehn Prozent zum Ausgabepreis. Aus dem Handel ging die Aktie mit einem satten Plus von über 24 Prozent bei 63,59 Dollar.  

Was machen die eigentlich?

Die Software-Tools für die schnellen und äußerst sparsamen Mikrocontroller und Chip-Designs von Arm liefert die deutsche Software-Tochter Keil, die seit knapp zwanzig Jahren zu Arm gehört. Die Entwicklung des Mikrocontrollers Cortex-M3 revolutionierte 2004 die Digitalisierung der Welt. Diese extrem billigen Halbleiter steuern praktisch als Ein-Chip-Computersysteme über einen Prozessor und Peripheriefunktionen sowie Arbeits- oder Programmspeicher so ziemlich alle Alltagsanwendungen.

Sie bringen Drucker, Tastaturen oder den Scanner im Büro zum Laufen oder dienen als Steuergeräte für Airbags oder das ABS im Auto. Auf Geld- und Kreditkarten sind sie ebenso im Einsatz wie in Fernbedienungen, Geräten der Unterhaltungselektronik oder Medizintechnik.

Rund 17 Milliarden Cortex-Mikrocontroller werden Jahr für Jahr auf den Markt gebracht. Und für jeden einzelnen von ihnen kassiert Arm Lizenzgebühren. Arm-Manager Chris Shore, der seit Jahrzehnten für das Unternehmen arbeitet, bringt es auf den Punkt: "Diese 32 bit-Prozessor-Power für den Preis von unter einem Dollar hat alles verändert." Denn plötzlich war es möglich, Geräte für den Alltagsgebrauch auf den Massenmarkt zu werfen - mit digitalen Steuerungen, die nur Cent-Beträge kosteten.

Aber auch bei den hochkomplexen Grafik-Chips für KI-Anwendungen von Nvidia steckt das Design von Arm. Genauso wie bei den iPhone-Prozessoren von Apple oder den Galaxy-Handys von Samsung.

Um künftige Irritationen zu vermeiden, hat Arm im Rahmen des Börsengangs Aktien im Wert von mehr als 700 Millionen Dollar für den Kauf durch seine größten Kunden reserviert, darunter Intel, Apple, Nvidia und Samsung. Der Chipgigant TSMC aus Taiwan hat bereits bestätigt, ein Paket im Wert von 100 Millionen Dollar kaufen zu wollen.

Display eines Nokia 6310-Mobiltelefons mit dem aufgerufenen Menu-Punkt Bluetooth
Die Zusammenarbeit mit Nokia und anderen Handy-Herstellern brachte für Arm den Durchbruch Bild: Rainer Jensen7picture alliance/dpa

Unbekannt, aber systemrelevant

Chris Shore, mittlerweile für den KI-Bereich bei Arm zuständig, erinnert sich daran, dass die Info, für Arm zu arbeiten, Gespräche bei Partys ziemlich schnell verstummen ließ - so unbekannt war das Unternehmen selbst in der Region von Cambridge.

Der Durchbruch für Arm kam durch die Zusammenarbeit mit Nokia und dem Siegeszug des Mobil-Telefons. "Jedes Jahr wollten die Handy-Hersteller Designs für Handy-Prozessoren von uns, die kleiner, schneller, sparsamer und billiger sein sollten", erinnert sich Arm-Ingenieur Shore. Ab 2004 stiegen die Spezialisten aus Cambridge dann ins Geschäft für Mikrocontroller ein und setzten mit ihrem Cortex-Design erneut Maßstäbe.

Nach dem Abheben des Handy-Marktes kam in den 2010er Jahren Arm erneut ins Spiel, als immer mehr Menschen Laptops nutzten. Die Engländer entwickelten die Architektur für leistungsstarke und energiesparende Chips, die dem Laptop auch unabhängig von der Steckdose zu langen Laufzeiten verhalfen. Auch die Akkus von Tablets halten mittlerweile so lange, weil Arm-Technologie ihre Prozessoren und Controller zu Dauerläufern gemacht hat. In deutlich mehr als 90 Prozent aller mobilen Geräte weltweit steckt das Design von Arm, einem Unternehmen mit gerade einmal etwas mehr als 5000 Mitarbeitern.

Neue Geschäftsfelder

Die zuletzt schwache Nachfrage nach Mobiltelefonen hat die Einnahmen von Arm mit zuletzt 2,68 Milliarden Dollar im letzten Geschäftsjahr, das im März 2023 endete, allerdings stagnieren lassen.

Kein Wunder, dass Arm auf neue Geschäftsfelder setzt. Seit Jahren profitiert das Unternehmen bereits vom Trend zum Cloud-Computing, wo immer größere Datenmassen in immer größeren Server-Farmen von Chips mit Arm-Design angetrieben werden. Hier soll der Marktanteil von aktuell etwa zehn Prozent gesteigert werden. Bis 2025 soll das Cloud-Geschäft pro Jahr um 17 Prozent wachsen. Der Automobilmarkt, an dem das Unternehmen mehr als 40 Prozent Marktanteil mit seinem Chip-Designs hat, soll mit 16 Prozent pro Jahr wachsen. Das sind deutlich lukrativere Branchen als der Mobilfunkmarkt mit einem erwarteten Umsatzplus von nur noch sechs Prozent.

Ob die Tüftler aus Cambridge auch vom wachsenden Markt für Deep Learning und KI profitieren können, wie es Arm-CEO Rene Haas bei der Roadshow für den Börsengang in Aussicht gestellt hat, wird spannend. Denn anders als von CPUs (Central Processing Unit - Hauptprozessor) im konventionellen Computing wird die ungeheure Rechnerleistung bei KI-Anwendungen von GPUs (Grafik-Chips) angetrieben. Und da ist momentan Nvidia besser aufgestellt.

Das Gehirn des autonomen Fahrzeugs

Die Lizenzgebühren, mit denen Arm am meisten Geld verdient, sprudelten zuletzt allerdings weiter: Die Chip-Tantiemen stiegen im letzten Geschäftsjahr auf 1,68 Milliarden Dollar, gegenüber 1,56 Milliarden Dollar im Jahr zuvor.

Ein Bereich, der von den Anlegern genau beobachtet wird, ist das Engagement von Arm in China. Die geopolitischen Spannungen mit den Vereinigten Staaten und eine Ausweitung von US-Lieferverboten für westliche Hochleistungs-Chips könnten auch das Geschäft von Arm beeinträchtigen. Immerhin trug die Volksrepublik im Geschäftsjahr 2023 fast ein Viertel zum Umsatz der Briten in Höhe von 2,68 Milliarden US-Dollar bei.

Überall präsent, wo Chips drinstecken

Arm selbst wirbt damit, dass seine Technologie durch den Einsatz in allen möglichen alltäglichen Produkten 70 Prozent der Menschheit erreicht und 99 Prozent aller Smartphones weltweit antreibt. Arm hat 1000 Partner und lieferte das Design für 100 Milliarden verkaufte Chips. Jedes Jahr werden von den Arm-Kunden durchschnittlich rund 20 Milliarden Chips, die auf Arm-Technik basieren, ausgeliefert.

Bereits 2021 warb der Chip-Designer damit, dass jede Sekunde weltweit rund 850 Arm-basierte Chips produziert werden. Dass dabei auch Halbleiter für die Rüstungsindustrie wie Raketen oder Drohnen sind, wird allerdings nicht an die große Glocke gehängt.

Arm-CEO Rene Haas auf dem Web Summit im November 2022 in Barcelona
Setzt auf KI-Trend: Arm-CEO Rene Haas auf dem Web Summit im November 2022 in Barcelona Bild: Bruno de Carvalho/ZUMA/picture alliance

Reiten auf der KI-Welle

Seit dem erfolgreichen Start des KI-Bots ChatGPT wächst das Interesse an Unternehmen, die die Hardware für die Entwicklung von KI entwickeln. Und von diesem Hype will Arm künftig profitieren. Firmenchef Haas will Arm zu einem wichtigen Akteur im Bereich der Künstlichen Intelligenz machen. Der KI-Hype hatte den Aktienkurs von Nvidia erst vor kurzem so in die Höhe getrieben, dass der Börsenwert des Chip-Konzerns aus Santa Clara erstmals in der Halbleiterindustrie über die Marke von einer Billion Dollar geklettert war.

"Niemand bestreitet, dass es sich um ein Qualitätsunternehmen handelt, das beträchtliche Umsätze und Gewinne erwirtschaftet", sagt Jay Ritter, Professor an der University of Florida, der sich schwerpunktmäßig mit Börsengängen beschäftigt, über das Arm-IPO. "Die Frage ist das zukünftige Wachstumspotenzial."

Thomas Kohlmann
Thomas Kohlmann Redakteur mit Blick auf globale Finanzmärkte, Welthandel und aufstrebende Volkswirtschaften.